1. Mai 2025 Katharina Morello

«Autonome Schule nistet sich am Sihlquai ein»

So titelte die NZZ am 10. November 2015. Inzwischen währt diese Einnistung bald zehn Jahre. Wir blicken zurück auf das Jahr, in dem sich die ASZ ihren heutigen Standort in der Stadt erkämpfte.

Nachdem die ASZ 2009 gegründet worden war, war sie sechs Jahre lang eine Wanderschule und quasi ständig in Bewegung, entweder auf der Suche nach einer neuen Bleibe oder beschäftigt mit Umzügen und dem Ankommen an einem neuen Ort. Nur um nach kurzer Zeit wieder aufbrechen zu müssen. Dieses Prekariat war enorm kräftezehrend. Der Ruf nach einer längerfristigen und zentralen Lösung, einem eigenen Schulhaus am besten, wurde immer lauter und in der Ausgabe der Papierlosen Zeitung im Mai 2015 so formuliert: «Wir fordern den nötigen Raum für das Projekt!» Und: «Wir gehören zur Stadt. Als Ort der Solidarität leistet die ASZ einen nicht zu unterschätzenden Beitrag.» Doch die Zeit drängte. Die Zwischennutzung an der Bachmattstrasse in Altstetten – notabene der zwölfte Standort der ASZ! – war auf Ende Oktober 2015 befristet.

In Gesprächen mit der Stadt bezüglich möglicher Schulräume zeichnete sich zunächst keine Lösung ab. Bereits 2014 hatte die ASZ bei der Raumbörse wegen Räumen in den beiden ehemaligen ZHdK-Liegenschaften am Sihlquai angefragt, die geforderte Miete hatte damals jedoch das finanziell Mögliche bei Weitem überstiegen. Dies sollte sich jedoch im Lauf des Jahres 2015 ändern: Ob es an der erhöhten, zivilgesellschaftlichen Sensibilität für die Fluchtthematik in Folge der geopolitischen Lage in Europa und der Welt lag? Oder an der zunehmenden medialen Präsenz der ASZ aufgrund unserer Raumsuchkampagne? Jedenfalls stieg der zur Verfügung stehende Betrag auf dem Spendenkonto des ASZ-Trägervereins «Bildung für Alle» stetig an, sodass gegen den Herbst hin eine reguläre Einmietung am Sihlquai oder anderswo zumindest nicht mehr völlig undenkbar war. Doch nun hatte die Stadt andere Pläne. Man wollte die ASZ kurzfristig in der Werkerei in Schwamendingen unterbringen und das dort einquartierte, von der Stadt geförderte Start-up-Unternehmen Blue Lion ans Sihlquai umsiedeln. Tatsächlich standen dann in der Werkerei auf November gar keine Räume zur Verfügung. Es hätte dort erst nach dem Wechsel von Blue Lion in die Innenstadt Platz gegeben, sprich: frühestens im Frühjahr 2016. 

Inzwischen war jedoch auch das Selbstbewusstsein der ASZ gestiegen. Dazu trug nicht zuletzt ein eindrücklicher Besuch des französischen Philosophen Alain Badiou bei, der in einem von rund 500 Personen besuchten Vortrag an der ASZ sagte, diese Schule sei ein Beispiel für die Möglichkeit, über die Kulturen und Nationalitäten hinweg etwas positiv Neues zu schaffen. Er sehe hier ein Stück jener Zukunft verwirklicht, die er sich wünsche: eine Welt für Alle. Dies und interne Reflexionen des ASZ-Kollektivs führten zur Erkenntnis, dass die Schule, wenn immer möglich, mitten in die Stadt Zürich gehört – und nicht aus dem Blickfeld und an den Stadtrand, etwa zum Katzensee hinaus. 

Danach ging alles schnell. Das Haus an der Bachmattstrasse musste geräumt werden, die ASZ stand buchstäblich auf der Strasse und machte mit zwei vielbeachteten öffentlichen Schulstunden auf dem Sechseläutenplatz und im Lichthof der Uni Zürich auf ihre prekäre Situation aufmerksam. Am 10. November bezogen wir in Absprache mit den anderen Mieter:innen vor Ort Räumlichkeiten der städtischen Zwischennutzung am Sihlquai 125 und suchten gleichzeitig mit einem offenen Brief und einer Online-Petition die Unterstützung der Öffentlichkeit. In kürzester Zeit gingen über 4000 Unterschriften ein. Ebenfalls im November erhielt die ASZ dann auch noch einen Anerkennungspreis der renommierten Paul-Grüninger-Stiftung. 

Anfang 2016 einigte man sich mit der Stadt: Der oberste Stock im Haus 125 wurde entsprechend umgebaut, die ASZ machte den Raum im ersten Stock frei für die Start-up-Firma Blue Lion und zog mit ihren Schulräumen nach oben. Seit damals «nistet» die Schule nun am Sihlquai tatsächlich, gleich einem seltenen und deswegen unbedingt schützenswerten Vogel, direkt unterm Dach, trotzt sommerlicher Hitze und winterlicher Kälte, Corona und anderen Schwierigkeiten. Schulbüro, Frauen*raum und das wichtige «Café für alle» schlagen derweilen im Erdgeschoss immer weitere Wurzeln.


10 Jahre Sihlquai: Feiere mit uns!

Das Jubiläum der von der Raumbörse Dynamo organisierten Zwischennutzung feiert die ASZ gemeinsam mit den anderen Nutzer: innen. 

Vom 3. bis 6. Juli 2025 finden am Sihlquai 125 und 131/133 die Tage der offenen Türen statt – mit vielseitigem Programm: Kunst- und Fotoausstellungen; Führungen durch die Schulräumlichkeiten am Freitag; Kulinarische Leckerbissen am Samstag; Workshops am Samstag und Sonntag. 

Save the date – und besucht uns zahlreich!

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