3. August 2016 Khusraw Mostafanejad

Die Türkei toleriert andere Völker nicht

Kommentar

Nach der Eroberungspolitik im syrischen Rojava richtet sich Erdogans Zorn nun gegen einheimische Kurd*innen. Für ihn gelten Kurd*innen als Feinde. Ähnlich erging es damals den Griech*innen, als diese im Jahre 1923 aus der Türkei vertrieben wurden. Nun müssen die Kurd*innen ihr Zuhause verlassen – nach 5000 Jahren Geschichte in diesem Land. Ortsnamen wie Diyarbakir und Wan werden, wie Konstantinopel (heute Istanbul), geändert und in Diartürk und Tür umbenannt.

Die westlichen Medien nehmen die Kurd*innen kaum wahr. Es gibt genügend Flüchtlinge in Europa, die Zeitungen beschäftigen sich mit Grenzschutz und Zäunen. Die europäischen Politiker*innen schweigen über den Krieg gegen die Kurd*innen. Im EU-Parlament bezeichnet man die PKK als eine terroristische oder verbotene Partei, obwohl die PKK und die Peschmarga die IS-Terroristen vertrieben haben. Aber die Türkei ist Mitglied der NATO, und die Stärksten haben das Recht immer auf ihrer Seite.

Der amerikanische Philosoph Noam Chomsky nennt Erdogan einen Mörder. Aber ich bezeichne auch die NATO als Mörderin, weil sie Panzer, Waffen und Munition liefert, die Frauen und Kinder töten. Vielleicht beabsichtigt die NATO, dass die Waffen gegen den IS und die Terroristen eingesetzt werden. Aber die Hubschrauber und Panzer sind gegen die Kurd*innen gerichtet.

Mit Hilfe der arabischen Golfstaaten hat Erdogan den sogenannten IS gestärkt. Die Türkei ist die einzige Macht im Nahen Osten, die nicht nur lange den Eintritt in die Anti-IS-Koalition verweigerte, sondern auch den IS unterstützte. Schliesslich wurde der Krieg gegen die Kurd*innen und nicht gegen den IS eröffnet. Erdogans Regierung ist sunnitisch wie die IS. Beide sind gegen kurdische Freiheitsbewegungen, gegen den Rechtsstaat, gegen die Gleichberechtigung der Frauen und gegen eine progressive Gesellschaft.

Die politische Geschichte der Türkei sieht aus, als habe sich das Land an Völkermord gewöhnt. Zuerst kam der Genozid an den Armenier*innen (1915-1916), dann folgten die beiden Vertreibungen der Griech*innen, und jetzt kommt allmählich der Völkermord an den Kurd*innen. In der Türkei zeichnet sich eine faschistische Entwicklung ab. Dass die Toleranz immer weniger eingehalten wird, kann historisch nachverfolgt werden. Und trotz dieser faschistischen Entwicklung wird die Türkei von den westlichen Mächten und der NATO unterstützt.

Khusraw Mostafanejad ist kurdischer Journalist.

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