1. Februar 2011 Faisal
Eine durchschnittliche Gefängniszelle für eine Person ist in Europa zwischen sechs und neun Quadratmetern gross. Ich wohne mit meiner Frau und unserem Neugeborenen in einem neun Quadratmeter grossen Zimmer in einem Asylheim in Allschwil.
Zwei Hochbetten, vier Schränke. Zum Leben bleiben genau drei Quadratmeter für drei Personen. Das ist alles. So leben wir hier seit vier Jahren. Kann man das leben nennen? Sagt ihr es mir!
Mit uns sind hundert Menschen im Asylheim. Manchmal sogar bis zu 130. Toiletten und Duschen gibt es nur unten. Im Winter ist es zu kalt, so weit aufs WC zu laufen. Kinder und Alte schaffen das oft nicht, falls sie nachts aufs Klo müssen. Viele haben daher einen Pinkeltopf im Zimmer. Wenn man duschen will, muss man immer lange warten, da es genau sechs Duschköpfe für Männer und sechs für Frauen gibt. Duschkabinen sind keine vorhanden, kollektives Duschen ist Pflicht. Früher gab es im ersten Stock auch Duschen und Toiletten, doch diese haben sie auch in Zimmer umgebaut. Warmes Wasser gibt es nur in der Dusche. Sonst gibt es im ganzen Haus nur kaltes Wasser. Dann gibt es noch eine Küche und einen Essraum. Neuerdings sogar einen Familienraum. Ein Zimmer mit zwei Sofas und einem Tisch. Früher musste man diesen Raum reservieren. Eine Woche im Voraus. Für Geburtstage oder wenn man Besuch empfängt, der um 19.30 Uhr sowieso immer gehen muss. Später darf keiner mehr rein. Immerhin steht dieser Aufenthaltsraum jetzt immer offen und kann immer benutzt werden. Dafür musste ich lange kämpfen. Wir haben keinerlei Privatsphäre, unser Kind hat nicht einmal Platz zum Spielen. Er ist sechs Monate alt, bekommt aber schon alles mit. Wenn er im Zimmer nur in seinem Bettchen liegen kann, schreit er oft. Dann nehme ich ihn und wir spazieren im Gang herum.
Vorübergehend sei das, sagen sie. Nun dauert das Vorübergehende schon vier Jahre. Immer wieder beschwere ich mich bei der Gemeinde: «Eine Familie braucht mehr Platz!» Die ORS sei dafür verantwortlich mehr Platz zur Verfügung zu stellen, ist immer die Antwort. Die ORS verweist auf die Gemeinde, diese sei für den Transfer verantwortlich. Die Zuständigkeit wird immer hin und her geschoben. Aber wer ist denn wirklich zuständig? Wo sind unsere Rechte? Wer kontrolliert, ob diese eingehalten werden? Am Ende helfen wir uns immer selbst. Gegen die ORS anzukommen ist aber aussichtslos!
Sie bekommen viel Geld für uns, aber wo bleibt das? Als unser Kind auf die Welt kam, haben wir nichts bekommen. Ein Neugeborenes braucht aber viel! Kleindung, Essen, aber auch Raum um gross zu werden. Die ORS müsste in solchen Situationen helfen. Aber nichts passiert! Mit sieben Franken Nothilfe pro Tag und Person kommt man nicht weit in der Schweiz.
Bevor ich einen Negativentscheid bekam, als ich noch arbeiten durfte und einen Job hatte, musste ich 660 Franken für das Zimmer bezahlen. Für neun Quadratmeter. So viel sei es wert, meinte die ORS. Für neun Quadratmeter? Diese Firma ist eine grosse Mafia. Sie saugen uns aus, wie ein Vampir. Ein Vampirverein. Sie verdienen an uns, an denen, die sowieso nichts haben. Wenn der Mensch aber seine Hoffnung verliert, kann ihm niemand mehr helfen. Wie lange schaffe ich es noch zu hoffen? Wie lange kann ein Mensch hoffen?