20. Februar 2017 Rosa la Manishe
Verschiedene Organisationen – darunter die Autonome Schule Zürich – lancieren heute Montag eine Petition, in der sie die Aufhebung aller Eingrenzungen fordern sowie einen sofortigen Stopp des Unterschriftenregimes, das seit Anfang Februar 2017 die Menschen in den NUK unter nicht aushaltbaren Druck setzt.
«Wenn sich ein Rechtsstaat gegenüber den Schwächsten in einen Unrechtsstaat verwandelt, wird ziviler Ungehorsam und praktischer Widerstand zur Pflicht.» Unter diesem Motto lancieren verschiedene Organisationen, darunter die Autonome Schule Zürich, die Sans-Papiers-Anlaufstelle Zürich (SPAZ), die Freiplatzaktion Zürich (FPA), das Solinetz und die Demokratischen Juristinnen und Juristen Zürich (DJZ) eine Kampagne gegen die Bunker- und Eingrenzungspolitik im Kanton Zürich.
Gegen Eingrenzungen, gegen Unterschriften
Seit Frühling 2016 haben sich die Zwangsmassnahmen von Sozialamt und Migrationsamt gegen abgewiesene Asylbewerber*innen massiv verschärft. Das Migrationsamt verteilt systematisch sogenannte «Eingrenzungen», die zur Folge haben, dass die Betroffenen die ihnen zugewiesene Gemeinde oder den Bezirk nicht mehr verlassen dürfen. Im Kanton Zürich sind dies die Gemeinden Adliswil, Hinteregg, Kemptthal, Kloten, Urdorf und Uster. Wer sich dem faktischen Bewegungsverbot widersetzt, dem droht das Migrationsamt mit einer hohen Busse sowie bis zu drei Jahren Gefängnis.
Weil diese Massnahme offenbar den Zweck, die Betroffenen zur Ausreise aus der Schweiz zu bewegen, in den Augen des Kantons nicht ausreichend erfüllt hat, folgte Anfang Februar dieses Jahr die nächste Verschärfung: Genügte es bisher für den Nothilfebezug, drei Mal wöchentlich ein Dokument in der NUK zu unterschreiben (und damit Präsenz zu zeigen), müssen die Bewohner*innen der NUK nun zwei Mal täglich zur Unterschrift antraben. Wer einmal nicht unterschreibt, erhält am kommenden Auszahlungstag keine Nothilfe. Dieses neue Vorgehen macht die NUK faktisch zu Gefängnissen und setzt die Betroffenen einem unaushaltbaren Druck aus.
Als wären diese schikanösen Massnahmen gegen die abgewiesenen Asylbewerber*innen nicht genug, haben sich in der vergangenen Woche drei NUKs geleistet, den Aktivist*innen von ASZ, FPA und Solinetz, die bisher mobile Rechtsberatung vor Ort angeboten haben, den Zutritt zur NUK zu verwehren. Bislang ist unklar, wer für diese Massnahme die politische Verantwortung trägt und wie sie begründet wird.
Auch Projekte wie die ASZ und das Solinetz sind betroffen
Aus all diesen Gründen haben heute Vertreter*innen der obengenannten Organisationen dargelegt, warum sie die neusten Schikanen der Zürcher Sicherheitsdirektion unter Mario Fehr verurteilen und eine breite Kampagne gegen die Bunker- und Eingrenzungspolitik starten. Journalist*innen von mindestens zehn verschiedenen Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern wurden über die Situation von abgewiesenen Asylbewerber*innen in den NUK, über das Nothilfe- und Eingrenzungsregime und über die mobile Rechtsberatung von Aktivist*innen der ASZ und FPA informiert. Darin wurden vor allem zwei Aspekte deutlich: Erstens sind die Autonome Schule wie auch das Solinetz von der neuen Praxis massiv betroffen. Der Zugang zu den wenigen Orten, wo die abgewiesenen Asylbewerber*innen noch willkommen sind, wo sie sich einbringen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, wird durch den Anwesenheitszwang massiv beschnitten, wenn nicht verunmöglicht. Auch die Teilnahme z.B. an den zahlreichen kostenlosen Deutschkursen wird erschwert, obwohl all dies unentbehrliche Bestandteile des Lebens vieler Betroffenen sind.
Zweitens – und das wird in der nun lancierten Kampagne ein zentraler Aspekt sein – ist der neue Anwesenheitszwang gemäss Anwältin Manuela Schiller (DJZ) rechtswidrig. Wie Schiller festhält, verstösst die neue Regelung gegen das Recht auf Bewegungsfreiheit und das Recht auf Hilfe in Notlagen und verletzt dazu die Kompetenzordnung der Kantonsverfassung. Hanna Gerig vom Solinetz spricht ausserdem von einem klaren Angriff auf die Menschenwürde.
Infos zur Petition und zur Konferenz «Wo Unrecht zu Recht wird»
Die Kernstücke der heute lancierten Kampagne sind einerseits die Online-Petition «Stopp den Zwangsmassnahmen in den Zürcher Notunterkünften», die man ab sofort hier unterschreiben kann, andererseits die Konferenz «Wo Unrecht zu Recht wird» am 18. März, in der nicht nur ein historischer Rückblick auf die Asylpolitik und die verschiedenen Formen des Widerstandes gezeigt wird, sondern in Workshops erarbeitet werden soll, wie die unsichtbaren Grenzen überwunden werden können.