7. Juni 2024 Frmesk

Meine Freundin in schweren Zeiten

Seite an Seite kämpften sie gegen die Unterdrückung der Kurd:innen und der Frauen. Um in Freiheit leben zu können, mussten sie fliehen. Nun schreibt die Mutter ihrer Tochter einen Brief.

Wenn ich Dir in die Augen schaue, sehe ich Deine Stärke und staune. Meine Tochter, ich nenne Dich Mutter – denn seit ich meine Mutter verlassen habe, ohne mich zu verabschieden, erinnert mich Dein Duft an sie.

Wir durchschritten schwere Zeiten. Deine Kraft und Deine Beharrlichkeit zwangen mich, stark zu bleiben – an Deiner Seite durchzuhalten bis an unser Ziel. Wir erhoben uns gemeinsam gegen das Unrecht. Darum schreibe ich Dir nun diesen Brief.

Du hast von der Freiheit gekostet. Ich weiss mit Bestimmtheit, dass Du kein Leben in Sklaverei verbringen kannst. Lass die Niedertracht der Sklavenhalter hinter Dir. Du wächst in einem freien Land auf.

Meine Mutter, Du sollst wissen, dass Wege gegangen und Vorschriften gebrochen werden müssen. Es ist Deine Pflicht, Dich gegen Ungerechtigkeit aufzulehnen. Öffne Deinen Geist für neue Ansichten.

Erlaube der Liebe, Dein Leben zu füllen. Fürchte nicht den Verlust, denn auch Du könntest verloren gehen, verlassen werden. Lass Tränen Deine Wangen reinigen, lass Dein Lachen die Grenzen des Himmels überwinden. Grosse Träume sollen Dich in der Nacht aufsuchen, die Du am Morgen zu erfüllen versuchst. Dein Ziel soll es sein, so gross wie Dein Herz zu werden.

Hab ein waches Auge und lass keine Chancen aus. Lass die Herabsetzung durch Männer nicht in Deine Gedanken. Mutter, glaube nicht an künstliche Grenzen. Unser Kurdistan ist ein Land. Verlasse Dich nie auf Faschist:innen und Kolonialist: innen.

Mutter, Du entstammst einem Land, das «Jin, Jiyan, Azadî» («Frau, Leben, Freiheit ») begründet hat und die Welt umspannt – eine Welt, die Dir Deine Identität verweigert.

Das Leben wartet nicht, es zieht Dich mit wie ein reissender Fluss. Bisweilen sollst Du der Ast sein, an dem sich Deine Mitmenschen festhalten können. Erlaube aber auch Dir, erschöpft zu sein, Dich an einen Ast zu klammern und um Hilfe zu bitten.

Wir haben den schwierigen Weg bewältigt. Für Deine Freiheit musstest Du viel Leid erfahren; das wiedergutzumachen, soll nun meine Aufgabe sein.

(Übersetzt von Souri Thalong)

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