29. Oktober 2025 Claudia Wilopo
Verschiedene Aktivitäten für Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen. Ein Versuch zu ergründen, wie die ASZ all die Jahre überleben konnte.
Vor mehr als 16 Jahren nahm die ASZ ihren Anfang. Auch heute ist sie noch von grosser Bedeutung für die Menschen, die im Haus ein und aus gehen, für die Schweizer Migrant:innenrechts- Bewegung und für die lokale Politik in Zürich. Warum hat die ASZ als basisdemokratisches, aktivistisches und linkes Migrationsprojekt so lange überlebt?
Verschiedene Aktivitäten
In der ASZ gibt es viele Räume: mehrere Unterrichtszimmer, ein zentrales Büro, eine Küche, einen Kinderbetreuungsraum, einen Frauen*raum und einen Garten. Damit können unterschiedliche Bedürfnisse abgedeckt werden. Einige Menschen engagieren sich politisch, andere wollen einfach nur Sprachen lernen. Betreuungsangebote ermöglichen es, dass Eltern und Erziehungsverantwortliche – darunter mehrheitlich Frauen – Kurse besuchen und sich vernetzen können. Im Café kommen Menschen zusammen und bekommen für wenig Geld etwas zu essen und zu trinken. Sie treffen Freund:innen und knüpfen neue Kontakte oder nutzen den Internetzugang. Insbesondere für Menschen, die sich in schwierigen finanziellen Situationen befinden oder sozial isoliert sind, ist das Café ein wichtiger Ort der Begegnung, in dem aktivistische Freundschaften entstehen.
Wer sich an der ASZ beteiligen möchte, hat keine hohen Zugangshürden. So können die Mitglieder schnell tragende Beziehungen aufbauen und erfahren das Gefühl der kollektiven Verantwortung. Gemeinsam geben sie auf die Räume acht und unterstützen Mitstreiter:innen.
Offenheit
Menschen mit und ohne Aktivismuserfahrung erhalten an der ASZ die Möglichkeit, sich für die Anliegen migrantischer Personen, Geflüchteter oder Sans- Papiers zu engagieren. Die ASZ bezieht zu diesen Themen klar Position, etwa mit der Forderung nach offenen Grenzen. Langzeitaktivist: innen stützen das Projekt mit ihrem kumulierten Wissen zur Migrationsthematik und bereichern es mit ihren sozialen und politischen Beziehungen. Genauso bedeutend sind aber die Impulse, Erfahrungen und Ideen neuer Aktivist:innen.
Die Menschen an der ASZ gehören verschiedenen Religionen, Altersgruppen und sozialen Klassen an. Sie verfügen über unterschiedliche Rassismusund Migrationserfahrungen. Sie sprechen verschiedene Sprachen und vertreten mitunter unterschiedliche politische Ansichten. Sie einigen sich aber auf das grundlegende Prinzip: «Ein menschenwürdiges Leben für alle!» Wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll, muss oft debattenreich ausgehandelt werden. Verhaftungen, Ausschaffungen, Todesfälle, Zwangsräumungen, zwischenmenschliche Konflikte: Dies führt zuweilen zu Meinungsverschiedenheiten an den monatlichen Vollversammlungen. Die teils hitzigen Diskussionen über den Umgang mit den individuellen Herausforderungen des Alltags und des Lebens erfordern die stetige Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Bewegung. Das könnte der Schlüssel dafür sein, wie ein solches Projekt dauerhaft bestehen kann.
Grosses Netzwerk
Auch das grosse Unterstützungsnetz, bestehend aus Organisationen wie der Freiplatzaktion oder der Sans-Papier-Anlaufstelle Zürich, spielt eine zentrale Rolle für das Bestehen der ASZ. Bei öffentlichen Veranstaltungen, Fundraising- und politischen Kampagnen oder dem Unterhalt von Räumen unterstützen sich die Organisationen gegenseitig. Zudem bringen die Mitglieder der ASZ viel Wissen und Fähigkeiten mit. Schreiner: innen oder Sanitärinstallateur: innen helfen etwa dabei, die Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Grafiker:innen, Künstler:innen und Autor:innen kümmern sich um die externe Kommunikation. Anwält:innen unterstützen illegalisierte Mitglieder, die juristische Beratung benötigen. Die Zusammenarbeit und das Netzwerk beruhen oft auf Freundschaften. Diese genuinen Verbindungen tragen dazu bei, dass illegalisierte Menschen Unterstützung bei ihren Kämpfen erhalten.
Die ASZ befindet sich in einer Stadt, in der die Sozialdemokratische Partei stärkste Kraft ist. Gleichzeitig gehört Zürich weltweit zu den Städten mit der höchsten Konzentration an Reichtum. Viele Zürcher:innen unterstützen politische Kampagnen der ASZ, indem sie Geld spenden, was unter anderem zwei bezahlte Teilzeitstellen ermöglicht. Diese sind mit zwei aktivistischen Angestellten besetzt. Sie führen zusammen mit Freiwilligen das Schulbüro – die erste Anlaufstelle bei rechtlichen, sozialen und politischen Anliegen.
Ein nie endender Prozess
Die Geschichte der Besetzungen der ASZ bis hin zum Umzug ans Sihlquai vor zehn Jahren erinnern uns daran, dass die dauerhafte Verfügbarkeit von einfach zugänglichen Räumen essenziell ist für den Fortbestand einer politischen Migrationsbewegung und eines autonomen Bildungsprojekts. Das Wohlbefinden ihrer Mitglieder – Menschen mit verschiedenen Vulnerabilitäten und Privilegien – zu gewährleisten, ist ein ständiger Balanceakt. Dabei muss die ASZ ihrer ursprünglichen, radikalen Politik treu bleiben und gleichzeitig pragmatische Praktiken im Tagesgeschäft zulassen. Die ASZ sichert sich ihr Überleben, indem sie sich als Teil eines fortlaufenden, nie endenden Prozesses versteht, und dabei der Frage nachgeht, wie wir eine Gesellschaft schaffen können, in der alle zugehörig sind.
Buchempfehlung: «Shipwreck of Dreams» von Emilio Nasser

«Shipwreck of Dreams» ist ein crossmediales Fotobuch, das die Geschichte und die Reise der ASZ aufzeichnet. Der Künstler Emilio Nasser verbindet Fotografie, Zeichnungen, Archivmaterial, kollaborative Portraits und Essays, und verflechtet sie mit der Schweizer Legende eines Bootes, das Wünsche erfüllt – eine Metapher für Migration, Resilienz und der Suche nach Zugehörigkeit. Als kollektives Unterfangen vereinigt das Buch verschiedene Stimmen zu einer vielschichtigen, facettenreichen Erzählung. «Shipwreck of Dreams» ist 2025 im Verlag «Artphilein Editions» erschienen.