10. Juli 2019 Amine Diare Conde

Representing Switzerland

Itzíar Tesán

Wie ich als Asylsuchender dazu kam, die Schweiz vor der UNO in Genf zu vertreten.

Ich war noch minderjährig, als ich 2014 in die Schweiz einreiste und um Asyl nachsuchte. Deshalb kam ich ins Zentrum für «mineurs non accompagnés» (MNA) in den Lilienberg ob Affoltern. Dort lebten sechzig Minderjährige, vor allem aus Eritrea, Syrien und Afghanistan. Ich sprach als einziger Französisch. Ich teilte mein Zimmer mit einem zwölfjährigen Jungen aus Albanien. Er konnte nicht kochen. Unsere Betreuer*innen hatten keine Möglichkeit, für uns zu kochen. Ich selbst lernte erst noch zu kochen und habe dabei viele Pfannen angebrannt. So ernährte uns am Ende die Migros Affoltern: Nutellabrote und Coca-Cola. Es war eine schwierige Zeit.

Eines Tages besuchten uns die Leute von Speak Out von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände. Wie sprachen über unsere Situation im Zentrum und schrieben eine MNA-Charta zu den Anliegen von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden in der Schweiz. Sie enthielt Kritikpunkte und Anliegen zu verschiedenen Themenbereichen: zu unserer allgemeinen Situation (fehlende Chancengleichheit und Mitsprache bei der Zuteilung an die Kantone, teils prekäre, nicht MNA-gerechte Unterbringung), zu unserer Betreuung (Zuteilung der jeweiligen Betreuer*innen, Prüfung der Unterbringung in einer Gastfamilie), zur Ausbildung (Gleichbehandlung unabhängig von der Kantonszuteilung, Beachtung der Schulpflicht, Ausbildungsmöglichkeiten nach der Schulpflicht, Zugang zu Lehrstellen für Personen mit N- und F-Ausweis) und zum drastischen Verlust unserer MNA-Privilegien mit dem 18. Geburtstag.


Ich sprach zehn Minuten vor Schweizer Parlamentarier*innen


Wir schrieben auch einen Brief ins Bundeshaus. Da kam eine Einladung der Parlamentarischen Gruppe Kinder und Jugendliche. Man riet mir im Interesse meines Asylgesuches, mich nicht zu exponieren. Ich verstand das aufgrund der Erfahrungen in meiner Heimat und ging zuerst nicht mit zum Hearing. Bei der zweiten Einladung aber doch. Ich sprach zehn Minuten vor Schweizer Parlamentarier*innen.

Vielleicht wollte Terre des Hommes deshalb, dass ich im Sommer 2016 die Schweiz an den Global Youth Consultations im Rahmen der Annual Consultations with NGOs am Sitz des UNHCR (UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge) in Genf vertrete. Dafür musste ich mehr über die Schweiz und ihr System und ihre Politik wissen. In Bern kamen zur Vorbereitung junge Asylsuchende aus verschiedenen Kantonen zusammen. Wir bestimmten, welche Themen für uns am wichtigsten waren. Darunter war auch der Punkt «Ausschaffungen». Und ich wurde als Repräsentant der Schweiz für die UN-Jugend-Konsultation gewählt.

Die Konsultation im Palais des Nations in Genf dauerte eine Woche. Es waren Vertreter*innen aus allen Erdteilen da. Einige Abgesandte konnten jedoch nicht teilnehmen. Sie hatten von der Schweiz kein Visum erhalten, weil unerwünschte Asylgesuche befürchtet wurden. Wir trafen uns zur Arbeit in vier Untergruppen und suchten nach gemeinsamen Anliegen, die wir in Punkten nach Prioritäten auflisteten. Diese Punkte besprachen wir mit Experten. Wir hofften, dass aus unseren Erfahrungen konkrete Vorstösse der UNO in den Zielländern der Migration entstehen würden, die unsere Situation verbessern. Zusammen mit einer aus Syrien stammenden Frau aus Deutschland durfte ich unser Schlussdokument dem UNHCR übergeben.

Es gab auch eine Einladung beim US-Botschafter. Und ich lernte den Schweizer Repräsentanten am UNHCR in Genf kennen. Er zeigte sich überrascht, dass ich nur einen N-Ausweis habe, also keine Aufenthaltsbewilligung, sondern nur eine Bestätigung, dass ich in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt habe und auf einen Entscheid warte: ein fast Papierloser also, der als Betroffener die Schweiz vertritt.

Das Executive Committee on youth des UNHCR verfasste im Oktober 2016 als Resultat der Konsultation eine Conclusion mit acht Empfehlungen. Besonders wichtig ist mir der Punkt 7: die Verpflichtung, unseren Willen zur gesellschaftlichen Partizipation durch Ausbildung und Schulung zu unterstützen, unsere Fähigkeiten zu nutzen mit dem Ziel, dass wir in der Lage sind, für unseren Lebensunterhalt selbst aufzukommen.

Ursprünglich wollte ich in Europa Ingenieur werden. Aber meine Erfahrungen haben jetzt mein Interesse und Engagement für Menschenrechte geweckt.

Artikel mit ähnlichen Themen:
Loading ...