31. Oktober 2025 Ivan Prijic
Beim Festmahl auf Bauers Feld denkt der Esel keinen Moment an das Schwein. Das bereut er bitter, als er selbst in Not gerät. Eine Fabel.
Eines Tages entschlossen sich ein Esel und ein Schwein, gemeinsam auf das Feld des Bauern zu gehen, um Mais zu fressen. Es war umzäunt, doch fanden sie ein Loch im Stacheldraht. So eilten sie voller Vorfreude auf das Feld, wo sie sich den Mais schmecken lassen wollten. Der Esel war gross und begann gierig zu fressen. Das kleine Schweinchen jedoch konnte die Maiskolben nicht erreichen, sie hingen zu hoch. «Esel, gib mir bitte etwas Mais, damit ich ihn wenigstens probieren kann. Ich bin ein Schwein und mag die Körner. Die Stiele und Blätter hingegen sind gut für dich, Esel. Ich habe schon lange keine Maiskörner mehr gekostet. Doch ich komme nicht an sie ran, und du wirfst mir nur Stiele und Blätter zu», klagte das Schwein.
Der Esel hatte kein Erbarmen und frass sich satt. Derweil blieb das Schwein hungrig und schrie vergeblich vor Kummer. Der gefrässige Esel brüllte vor Freude und verspottete das Schwein: «Niemand macht dir einen Vorwurf, dass du klein bist, aber das Getreide ist nicht für dich gemacht, sondern für mich – den Esel, der gross und mehr wert ist als du.» Das Schwein aber entgegnete ihm: «Denk daran, Esel, es wird die Zeit kommen, in der auch du mich um Hilfe bitten wirst. Dann wirst du mich, deinen Freund, beim Maisstehlen vergeblich rufen.» Der Esel brüllte weiter vor Lachen, denn er konnte sich nicht vorstellen, wie ihm das Schwein helfen könnte.
Der Mais wehte im Wind. Das Feld, auf dem er wuchs, war weit, und da war niemand ausser dem Esel und dem Schwein. Aber sie machten beide so grossen Lärm, dass der Bauer, der in seiner Hütte döste, davon geweckt wurde.
Als der Bauer wütend aufs Feld eilte, konnte das Schwein problemlos ein neues Loch in den Zaun schlagen und sich vom Acker machen. Der Esel hingegen fand das alte Loch nicht, durch das er aufs Feld gekommen war. Er schrie, denn er war zu gross, um durch das Fluchtloch des Schweines zu entkommen.
Der Bauer schimpfte mit dem Esel, weil er Mais gestohlen hatte, und brach ihm mit seiner Keule beinahe die Knochen.
«Hilf mir, Schwein! Der Bauer wird mich auf seinem Feld erschlagen, nur weil ich hungrig war und von seinem Mais gefressen habe», flehte der Esel.
«Nun, ich hatte auch Hunger, aber du hast mich verspottet und alles allein gefressen. Jetzt leidest du wegen deiner Bosheit und Gier. Schmeckt dir der Mais jetzt?», fragte das Schwein.
«Vergib mir dieses Mal, Schwein, hab Mitleid mit deinem Freund», jammerte der Esel verzweifelt.
Das Schwein hatte Mitleid mit dem Esel und erweiterte schliesslich das Loch im Zaun mit seiner Schnauze. Es durchbiss den Draht und rettete so den Esel, seinen in Ungnade gefallenen Freund. So entkam der Esel und gemeinsam rannten sie über das Feld dem wütenden Bauern davon.
Der Esel war dem Schwein sehr dankbar und sagte zu ihm: «Du hast mir das Leben gerettet, liebes, gutes Schwein. Der Bauer wollte mich erschlagen. Er schrie vor Wut. Die Schläge seines Stocks sind meine Strafe dafür, dass ich dir keine Maiskörner gegeben hatte. Ich wollte sie alle selbst fressen, obwohl du auch hungrig warst. Aber ohne deine Hilfe hätte mich der Bauer auf seinem Feld getötet.»