28. September 2016 Michael Schmitz
Grünen-Politikerin Susanne Hochuli fordert ein TV-Verbot für Geflüchtete und inszeniert sich als fürsorgliche Erzieherin einer angolanischen Familie. Damit stellt sie sich in eine alte kolonialistische Tradition, die weit über rechte Kreise hinaus verbreitet ist.
Die Schweiz müsse deutlich strenger sein bei der Integration von Geflüchteten, fordert die abtretende Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli (Grüne) in einem Interview der Schweiz am Sonntag. Konkret schlägt sie eine «Integrations-RS» für Geflüchtete mit obligatorischem Deutschkurs am Morgen und Arbeit am Nachmittag vor: «Egal, ob es ihnen passt. Es wird gemacht.» Doch damit nicht genug der Bevormundungsfantasien: Ein TV-Verbot für Geflüchtete soll die Integration fördern. «Das Fernsehen schadet der Integration, teilweise läuft der TV den ganzen Tag. Ich kann ja verstehen, dass er wie ein Tor zur Heimat ist. Trotzdem sollten nur diejenigen einen haben, die ihn selbst kaufen und auch die Billag-Gebühren selbst zahlen können», findet sie. Hochuli hat ihre Aussagen zwar mittlerweile relativiert. Doch die dahinterstehende Haltung ist damit nicht verschwunden.
Hochuli sieht sich offenbar als Erzieherin der unwissenden und arbeitsscheuen Geflüchteten, die von ausserhalb Europas in die Schweiz kommen. Sie beherbergt bei sich auf dem Bauernhof zwei Familien aus Angola und Eritrea. Der Frau aus Angola, die sie mittlerweile «über alles liebe», hätte sie mehrmals erklären müssen, dass das Geld nicht einfach so da sei und man es verdienen müsse, erzählt Hochuli im Interview. Angesichts solcher Unwissenheit muss man dann natürlich auch den TV-Konsum verbieten. Sie wissen ja nicht, was gut für sie ist. Bei ihr sollen die Geflüchteten Fleiss und Vernunft lernen. Und das ist offenbar bitter nötig.
Ihre Erziehungsbemühungen setzt Hochuli offensiv auf Twitter und Facebook in Szene. «Schweiz und Arbeit gehören zusammen. Das kann nicht früh genug vermittelt werden», schreibt sie zu einem Bild, dass die von ihr beherbergten Kinder bei der Arbeit im Garten zeigt. Die Kinder sind sowieso das Lieblingssujet ihrer Selbstinszenierung. «Africa goes Moschti! Damit die Kids wissen, wo der Bartli den Moscht holt» , ist der Kommentar zum Sujet «Kinder als Beisitzer*innen auf dem Mosttraktor».
Hochuli sind die Menschen, die von ausserhalb Europas hierherkommen, nicht egal wie vielen anderen. «Multikulti in der Badewanne»: Das würde wohl kein SVP-Politiker in positivem Sinn schreiben, so wie sie. Nein, Hochuli kümmert sich um die Geflüchteten. Und sie will sie verändern – von oben herab, aus einer Position der kulturellen Überlegenheit. Das politische Resultat davon sind bevormundende Regeln und Zwang. Viel bleibt da nicht mehr vom Multikulturalismus.
Die Ansicht, dass Afrikaner*innen faul, arbeitsscheu und unselbstständig seien und der Erziehung bedürfen, hat Tradition: Sie stammt aus dem kolonialistischen Denken und ist ein wichtiges Element der Vorstellung einer «zivilisatorischen Mission», die Europa gegenüber Afrika habe. Sie findet sich in unzähligen Texten europäischer Missionare, Intellektueller und Politiker des 19. Jahrhunderts. Als Carl von Linné 1735 in seinem bahnbrechenden Werk Systema Naturae die Pflanzen und Lebewesen klassifizierte, schrieb er der angeblich existierenden «afrikanischen Rasse» folgende Temperamente und Körperhaltungen zu: «von der Willkür regiert – schwarz, phlegmatisch, schlaff» . Auch der Arzt Ludwig Külz macht sich in seinem Bericht aus dem «afrikanischen Busch» Gedanken zum «Problem»: «Legen wir uns jetzt nochmals die Frage vor: wozu sollen wir den Neger erziehen? Meine kurze und bündige Antwort lautet: zur Arbeit für uns. [...] Man sagt oft obenhin, der Neger sei arbeitsscheu und faul. Das ist richtig und falsch zugleich. Fleiß ist ein sehr relativer Begriff, und wenn wir den Togoneger mit anderen Stämmen, etwa mit den südwestafrikanischen Hottentottenstämmen vergleichen, so ist er entschieden fleißiger als diese. Wir haben beim Neger zu unterscheiden zwischen arbeiten können, arbeiten wollen und arbeiten müssen! Das Arbeiten-Können wird man den Togonegern nie absprechen dürfen. [...] Aber der Wille zur Arbeit ist ein beschränkter. Eine geregelte Arbeit ist ihm unsympathisch, doppelt unsympathisch, wenn er keinen Nutzen sieht, die sie ihm selbst bringt.» Ohne hier Hochuli eine rassistische Ideologie zu unterstellen: Die Parallelen zwischen dem Afrikabild aus der Kolonialzeit und ihrem Denken sind frappant.
Die Regierungsrätin macht immer wieder Schlagzeilen mit ihrer Law-and-Order-Haltung zum Thema Asyl und versteht es geschickt, ihre rechtspopulistischen Positionen mehrheitsfähig zu machen. 2015 nahm sie zusammen mit SVP-Nationalrat Thomas Aeschi am kontroversen «Parlamentarierreisli» nach Eritrea teil und berichtete nachher, sie habe dort «viel Positives» gesehen. Sie forderte die Schweizer Politik auf, «auf Augenhöhre mit der eritreischen Regierung umzugehen». Der Parlamentariergruppe ging es weniger um Entwicklungshilfe als um einen «Migrationsdialog». Anders gesagt: Sie baute Druck auf, damit die Schweiz vermehrt eritreische Geflüchtete zurückschickt. Mit Erfolg: Neuerdings weist der Bund auch minderjährige Eritreer zurück. Wenn wir nicht entschieden dagegenhalten, werden vielleicht auch Hochulis neueste Phantasien bezüglich «Integrations-RS» und TV-Verbot bald Realität.
Doch was treibt Hochuli zu einer solchen Politik? Sie tritt als Regierungsrätin zurück. Das Motiv der Wiederwahl fällt also aus. Wenden wir doch mal die Logik, mit der sie die Geflüchteten betrachtet, auf sie selbst an: Hochuli kann offenbar mit den Einflüssen der rassistischen Stimmungsmache in den Medien nicht umgehen. Da hilft nur ein TV-Verbot!