1. Mai 2012 Hassan Aras
Heiratsverbot für Sans-Papiers: ein Bericht über eine Eheschliessung unter dem verschärften Asyl- und Ausländergesetz
Wie auf Nadeln sassen wir im Januar 2010 in einem trostlosen Büro des Zivilstandsamts Zürich und reichten unsere Dokumente ein, die nötig waren für das Ehevorbereitungsverfahren. Der Beamte machte eine hässliche Fratze, als wir ihm eröffneten, dass ich über keine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz verfüge.
Wir waren schon vorgewarnt worden, dass das Zivilstandsamt Zürich Kuschelkurs eingeschlagen hatte mit der Hetzkampagne der SVP, der sich mittlerweile auch alle anderen bürgerlichen Parteien anschlossen. Der Beamte verletzte die Schweigepflicht, kontaktierte das Migrationsamt in Bern und schickte meine Identitätskarte in das Urkundenlabor der Kantonspolizei Zürich.<!--more-->
Wir konnten diese Frechheit nicht verhindern. Der Beamte schnappte meine Dokumente vor meiner Nase vom Tisch weg und gab sie nicht mehr aus der Hand, auch als meine Frau versuchte, sie ihm zu entreissen und ihn daran zu erinnern, dass ein Beamter keine Befugnis hat, Dokumente zu beschlagnahmen.
Nach einem Monat verkündete das Urkundenlabor der Kantonspolizei Zürich, dass es sich bei meiner Identitätskarte um eine Totalfälschung handle. Unser Anwalt kannte dieses Spiel. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass sogar eine Bestätigung der Echtheit einer irakischen Identitätskarte, ausgestellt von der Irakischen Botschaft, als Totalfälschung deklariert wurde. Dies hat beinahe zum Konflikt geführt zwischen den beiden Nationen, weil die Schweiz damit dem irakischen Staat die Souveränität aberkannte.
«Die Gesetzesänderung soll eine Scheinehe unterbinden. Damit unterstellt man jedem/jeder Sans-Papier eine Scheinehe.»
Letzteres bereitete mir keine Sorgen. Wir waren voller Wut, weil wir wussten, dass das Vorgehen des Zivilstandsamtes eine reine Schikane war, um das Recht auf Heirat auszuhebeln. Wir fühlten uns auch zeitlich unter Druck. Die Initiative von Toni Brunner war im Parlament angenommen worden und sollte bald umgesetzt werden.
Durch das neue Gesetz sollte Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz das Recht auf Heirat, das in der Bundesverfassung und in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegt ist, ab Januar 2011 entzogen werden. Die Gesetzesänderung soll eine Scheinehe unterbinden. Damit unterstellt man jedem/ jeder Sans-Papier eine Scheinehe.
Wir beschlossen zu kämpfen und stellten Antrag für eine «gerichtliche Feststellung der Personalien», welche eine Identitätskarte ersetzt.
Zehn Tage später, nach einer Kindergeburtstagsfeier, als wir die Familie im Treppenhaus verabschiedeten, empfingen wir sogleich, ohne die Türe vorher schliessem zu können, die Bullen. Sie verhafteten mich wegen illegalen Aufenthalts in der Schweiz. Wir waren auf die Verhaftung vorbereitet, und die Freilassung konnte nach wenigen Tagen erzwungen werden, ohne dass ich in Ausschaffungshaft gewesen war.
Der Alltag war schwierig. Wir arbeiteten beide neben dem Heiratsstress, schliesslich mussten wir die hohen Kosten begleichen, die durch die Heirat entstanden waren. Wir versorgten zusammen ein Kind, welches von unserer unsicheren Lage nicht irritiert werden sollte. Das Gericht machte uns das Leben nicht leichter. Sie führten den Prozess der Personalienfeststellung unter einem Beweisverfahren durch, welches dafür eigentlich nicht üblich ist. Wir mussten also mit weiteren Dokumenten meine Personalien belegen. Mein Vater wurde in Kurdistan berühmt, weil er von einem Amt zum anderen tanzte um Papiere einzuholen, welche meine Personalien beweisen sollten.
Zu guter letzt gaben sich die Schweizer Jurist_innen nach über einem Jahr geschlagen, als mein Vater ein Fax direkt ins Bezirksgericht sandte. Er verfasste ein persönliches Schreiben, legte eine Kopie seines Reisepasses und ein Familienfoto bei. Wir wähnten uns im Glück, als wir die Feststellung der Personalien in den Händen hielten und sahen uns schon in den Alpen in Rehabilitation.
Dann der Anruf des Zivilstandsamts, die festgestellten Personalien seien keiner Person zuzuordnen, da kein Foto auf dem Dokument des Gerichts sei. Da wurde es selbst unserem Anwalt zu viel, und er kreuzte gleich persönlich auf dem Amt auf, um ordentlich Radau zu machen. Nach dieser Aktion hatte sich das Problem scheinbar in Luft aufgelöst: Wir haben am 10.11.2011 geheiratet im neu renovierten Stadthaus, unter dem «reizenden» Fensterbild von Marc Chagall und Alberto Giacometti.
Sechs Wochen später wäre dies unter dem neuen Gesetz nicht mehr möglich gewesen. Doch unsere Heirat lässt uns nicht aufatmen! Wir kämpfen weiter, für eine Gesellschaft, in der kein Mensch illegal ist, für ein System ohne Rassismus, Krieg und Ausbeutung im Dienst der herrschenden Klasse, die damit ihre Profitgier befriedigt!