7. Februar 2013 Tim Zulauf

Worauf gerlent wird!

Vom 4.11. bis 22.12.2012 fand der erste Teil eines «Ideologiekritischen Schul­möbelworkshops» an der ASZ statt. Jeweils samstags von 13 bis 18 Uhr brachten sich Interessierte beim Bau von Unterrichtsmobiliar Handwerk und Arbeitsausdrücke bei. Anhand praktischer Beispiele ging es um die Fragen, wie Raumgestaltung auf den Unterricht  einwirkt und welche Unterrichtsform nach welchen Möbeln verlangt.

Der Kurs möchte damit auf der «materialis­tischen» Grundlage von Raum und Zeitgestaltung zu Gedanken über egalitäre Lehrmethoden anregen. Die folgenden Gesprächsaufzeichnungen ent­stammen einem Gespräch am vierten Workshop-Tag. Miteinander diskutiert haben drei regelmässige ­Kursbesucher, zwei punktuell Teilnehmende und zwei Gäste der F+F Schule für Kunst und Mediendesign Zürich.

Tragbarkeit, Flexibilität

A … Also denkt ihr auch es wäre besser, den Raum hier nicht mit dreieckigen Tischen einzurichten, sondern mit solchen Festzelt-Tischen? Damit mehr Leute in den Raum passen?

B Also ganz normale Tische, meinst du?

A Ja, denn der dreieckige … Ich weiss nicht recht …

C Ich glaube, es gibt einen Vorteil mit dem dreieckigen Tisch, weil er flexibel ist. Man kann ihn alleine benutzen oder zweimal verbinden, viermal oder einen Kreis machen. Wir in der Autonomen Schule sind ja auch immer eine Karawane gewesen. Nur um das noch einmal zu sagen. Und wir sind immer von Ort zu Ort gezogen …

D Unterwegs, ja.

C Und diese kleinen Tische sind ganz leicht zu tragen.

B Aber diese Flexibilität, von der ihr jetzt redet, die ist nur nötig oder gut für die Fortgeschrittenen?

E Ja, in den kleinen Räumen.

B Und für die andere Klasse, die Grundstufe im grossen Raum, da ist es vor allem wichtig, viele Plätze zu haben? Das heisst dann, wir brauchen für die unterschiedlichen Stufen unterschiedliche Einrichtungen.

E Ich fand dieses Modell interessant, das wir am Anfang im Buch¹ angesehen hatten, diesen zweiteiligen Tisch aus zwei Halbkreisen. Denn hier in der Raummitte ist es gut, die Festzelt-Tische zu benutzen, weil der Unterricht ja frontal ist. Aber hier am Eingang ist das nicht praktisch mit diesen grossen Tischen, da ist sonst der Bewegungsfluss und der Durchgang in den Raum blockiert. Wenn das da aber ein Kreis oder Halbkreis wäre, hier und dort drüben, bei den Eingängen, anstatt der Sofas, dann könnte man von dort jeweils auch gut sehen. Und wenn die Moderierenden Gruppenaufgaben geben, dann können die Tische zusammengestellt werden, dann wäre das eine Gruppe von acht bis zehn Leuten. Das nur, weil wir ja davon ausgegangen sind, dass hier in der Grundstufe am ehesten frontaler Unterricht stattfindet.

Inseln?

B Eine andere Idee für den Raum hier wäre, vielleicht kann ich das einmal zeichnen, dass wir mehrere solcher halbkreisförmigen Tische hätten, also zusammen dann fünf bis sechs kreisförmige Inseln im Raum verteilt, und die Leute würden darum herum sitzen, und wenn die Moderierenden etwas sagen oder erzählen, dann würden sich diejenigen auf Drehstühlen herumdrehen, die mit dem Rücken zur Moderator_in am Tisch sitzen. So könnten sie für eine Weile zuhören und an die Wandtafel schauen, und sich nachher wieder zurückdrehen und im Kreis mit den anderen weiter über die Aufgaben nachdenken.

A Aber ich glaube nicht, dass es möglich wäre, fünfzig Leute mit so einer Einrichtung zu unterrichten …

B Wenn wir sechs Leute pro runden Tisch rechnen, dann brauchen wir acht Tische für 48 Lernende. Und wir könnten die Tische halbieren, so dass wir je nach dem auch 16 halbkreisförmige Tische hätten.

A Ich erinnere mich an das Bild. Man kann sich da rundherum bewegen.

E Jedenfalls, wenn wir hunderte von diesen Dreieckstischen haben, dann ist das zu viel, mit all den vielen Beinen. Für diesen grossen Raum hier brauchen wir grösseres Mobiliar.

B Also könnten wir so etwas einmal als Prototyp entwerfen? Die Frage ist, ob sechs solche Tische in diesen Raum hier passen. Aber vor allem bräuchten wir dann auch besondere Stühle. Und so wie es jetzt ausschaut, haben wir hier vor allem Festzelt-Bänke, die sind zwar praktisch, denn die Bänke sind schnell auf- und abzubauen. Aber sobald jemand eine Frage hat, könnten die Moderierenden bei dem System mit den Kreis-Tischen zu der Person hingehen, und jeder könnte auch frei auf die Toilette oder nach draussen gehen. Das geht mit den Bänken nicht.

C Aber B, wir müssen die Tafel mitbedenken! Wenn die Lernenden so an diesen halbkreisförmigen Tischen sitzen, mit dem Rücken zur Wandtafel, und die Moderierenden erklären etwas – dann sehen die nichts.

B Deswegen bräuchten wir dann Drehstühle. Dann käme auch immer etwas Bewegung in den Unterricht, und das ist für das Denken ja gut und gibt Erfrischung.

C Es wäre nett so. Aber ich denke, wenn alle aufstehen und herumgehen … Besser ist doch, wenn die Moderierenden zu allen sprechen und an der Tafel etwas erklären …

B Gut, ja. Aber wir könnten auch das System mit der Tafel in Frage stellen. Anstelle einer fix installierten Tafel könnten die Moderierenden die Aufgaben oder die Grammatik-Beispiele auf einem Brett oder einer Schautafel mit sich herumtragen und von Tisch zu Tisch gehen: Du erklärst hier einer Kleingruppe die Themen oder Aufgaben, und dann gehst du mit der Tafel zur nächsten Kleingruppe: «Schaut, das wollen wir lernen, davon gehen wir aus … » – Das könnte auch möglich sein.

E Für das grundlegende Wissen – Grammatik, Aussprache? Nein. Das schreibst du doch einmal an die Wandtafel und dann ist das ok.

B Also die Frage stellt sich, ob Grammatik und sonstige Wissens-grundlagen wirklich ausschliesslich frontal gelernt werden können. Oder könnten wir auch denken, die Schüler_innen lernen in Gruppen, diskutieren – und punktuell kommen die Moderierenden dazu und sagen: «Aha. Vielleicht ist das so. Oder eher so … Was meint ihr?» Und dann gehen sie zur nächsten Gruppe? … Aber vielleicht ist das zu idealistisch…

Sitzen, Stehen, Liegen

F Ich bin früher einmal für ein halbes Jahr in eine Schule gegangen, da standen wir die ganze Zeit über. Das war ein komplett anderes Schulsystem. Wir hatten da viele Pausen zwischen den Lektionen, aber wir waren immer auch in interaktive Projekte mit andern eingebunden …

B Und wie lang waren die Lektionen da?

F Eine Lektion war vierzig Minuten lang, und dann gab es zwanzig Minuten Pause. Und du konntest die Pausen dann für deine Projekte nutzen. Und dann wieder vierzig Minuten …

B Wir können also auch über Möbel nachdenken, die zum Stehen gut wären … und was das für Möglichkeiten und Fragen mit sich bringt? Wir müssen ja sowieso über Sitzgelegenheiten nachdenken – einfache Sitzgelegenheiten wie Hocker. Und dann müssen wir diesen halbkreis- oder sechseckförmigen Tisch noch einmal durchdenken. So wie ihn M. vorhin gezeichnet hat. Und vielleicht könnten wir so ein neues Modell dann auch noch mit unseren schon bestehenden Dreiecks-Tischen kombinieren …

E Und dann wäre das sogar für die kleinen Räume ok …

F Ich habe vorhin schon drüber nachgedacht. Wir hatten einmal für zwei Wochen ein Projekt an der Schule, da hatten wir gar keine Stühle, sondern sassen auf dem Boden, und die Lehrpersonen liefen zwischen uns herum, wir sassen auf einfachen Kissen. Auch da hatten wir zwanzigminütige Pausen und dann konnten wir uns auf den Boden legen. Das nur als Anregung …

A Das stimmt, denn wenn du entspannt bist, bist du aufmerksam. Deswegen sind vierzigminütige Lektionen besser als anderthalbstündige. Weil du dich nur während vierzig Minuten konzentrieren kannst. Deswegen brauchen wir ja auch Pausen.

F Genau deswegen hatten wir damals ja diese kurzen Lektionen – mit Kissen …

A Aber mit Kissen schläfst du ein …

F Jaja, das kann man assoziieren, den Schlaf mit den Kissen. Aber das nur als Input: Wir hatten damals keine Stühle, nur Kissen.

B Über so eine Möglichkeit haben wir auch gesprochen, vor drei Wochen, wo es darum ging, inwiefern die Räume, in denen wir lernen, kulturell definiert sind. Und Leute aus Nordafrika sind an Räume gewöhnt, in denen das Mobiliar nicht so eine grosse Rolle spielt, sondern wo auf einem niedrigen Sockel mit verschränkten Beinen gesessen wird. Dafür sind überall Teppiche ausgelegt auf denen man sitzt, wenn «auf dem Boden» gesessen wird. Und vor einem stehen dann niedrige Tische aus Leder. – So eine Struktur würde den ganzen Raum hier grösser machen. Aber das würde noch einmal ganz andere Anforderungen ans Putzen stellen.

Zeiträume

A Ohne Tische geht es sowieso nicht. Nicht einmal für eine Stunde!

D Das ist ja auch eine Schule und kein Disco-Club.

B Aber trotzdem wäre das eine mögliche Unterrichtsform. Leute lernen so, indem sie auf dem Boden sitzen! Das würde vielleicht ein anderes System ermöglichen, als dieses normiert-abendländische, wie wir es hier auch an der ASZ immer wieder reproduzieren. Wir könnten zum Beispiel daran denken, dass wir eine der kleinen Klassen mit Teppichen auslegen und dass alle auf dem Boden sitzen. Das wäre dann eine eigene, experimentelle Klassenstruktur.

A Wenn du etwas lernen möchtest, dann lernst du es …

B Es wäre jedenfalls eine grossartige Gelegenheit, die Diskussionen mit den Moderierenden darüber zu führen, wie die Unterrichtsstunden eingeteilt sein sollen. Wir haben vor allem die vierzig Minuten statt der anderthalb Stunden favorisiert, oder?

D Die Pause ist auch zu lang. 30 Minuten. Das ist nicht gut.

F Ah, ja, die Pause ist zu lang? C Ja, normalerweise braucht eine Kaffeepause maximal 15 Minuten.

D Rauchen, Kaffee trinken – das sind 15 oder 20 Minuten. Das reicht.

B Das Problem ist, dass viele Leute Kaffee wollen. Dann gibt es einen Stau in der Küche.

B Dann bräuchten wir eine andere Idee für die Pause. Wir müssten mehr von diesen Kaffee-Pumpkannen haben, da kann der Kaffee vorher vorbereitet werden und dann schneller ausgeschenkt werden.

B Oder eine Kaffeemaschine, mit der man schneller wäre.

F Filterkaffee.

Gespräch übertragen von Tim Zulauf

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