1. Februar 2011 Anonym

4 für 1 und 1 für 4

Qasem Alizadeh protestiert gegen die Karzei-Regierung

Ein Flüchtling berichtet über die Situation in Afghanistan und die Gründe, weshalb er in die Schweiz gekommen ist

Wenn es Probleme gibt, findet Vertreibung statt. Vertriebene Menschen, die um Asyl ersuchen, werden als Flüchtlinge bezeichnet. Die Regierungen teilen sie in verschiedene Gruppen auf, die Flüchtenden identifizieren sich jedoch als eine Gruppe.

Iraner, Nigerianer, Afghanen, Eriträer kommen in dieses Land, um Asyl zu beantragen: Was ist der Grund, dass diese Menschen ihr Land verlassen und hier einen Verbleib erzwingen wollen? Die Antwort lautet: «Sie kommen aus einem Land im Krieg».

Afghanistan ist ein Beispiel. Truppen aus verschiedenen Ländern nutzen Afghanistan als militärisches Experimentierfeld. Dieses Land hat 30 Jahre Krieg erlebt. Was jeweils der nächsten Generation vermacht wird, sind Kugeln und Waffen. Afghanische Bürger wollen aber Schulen, Gymnasien, Universitäten – und nicht Kriegstruppen. Dieser Zustand provoziert Bürgerkriege.

Afghanistan ist berühmt für seine Gesetzlosigkeit und Korruption. Es besteht aus 34 Provinzen, die unsicherste ist Helmand. Warum? Afghanistan wird von vier Hauptstämmen bevölkert: Hazara, Pashtoon, Tajik und Uzbek. Die Aufteilung unter den Stämmen ist nicht schlecht, aber auswärtige Mächte teilen sie auch in religiöse Gruppen auf. Die Religion wurde zur Waffe.

Aus religiöser Sicht haben einige spezifische Gruppen ein grosses Drama ausgelöst, indem sie internationale Truppen ins Land holten – eine folgenschwere Entscheidung. Hazara und Pashtoon hassen einander. Der offene Bürgerkrieg ist zwar beendet, aber der «kalte» Krieg geht weiter. Tausende von Hazara wurden im Taliban-Gebiet getötet. Die Pashtoon sind in der Mehrzahl und missachten die Rechte der Minderheiten.

Ein Beispiel einer barbarischen Aktion war ein Überfall der Pashtoon auf die Behsood (Untergruppe der Hazara) vor drei Jahren – kein Einzelfall. In der Schweiz erhalten Hazara-Asylsuchende einen negativen Entscheid, weil er mitbestimmt wird durch einen Pashtoon-Übersetzer – eine bittere Tatsache.

Kürzlich wurden 90 000 Soldaten nach Afghanistan entsandt – warum? Eine weitere unsichtbare Hand ist im Spiel: es geht um Edelsteine. Die wirtschaftliche Situation verstärkt den Einfluss unsichtbarer Interessen und setzt das Drama fort.

Die Afghanen, speziell die Hazara, versuchen, das Land zu verlassen. Weder das Leben in den angrenzenden Staaten (Iran, Pakistan) noch weiter entfernt (Europa), ist einfach. Vor einigen Jahren wurden viele nach Norwegen, England oder in den Iran deportiert. Besonders die in den Iran Gebrachten wurden körperlich und psychisch krank durch die schlechten Bedingungen bei der Einreise. Auf der Durchreise durch Griechenland leben afghanische Flüchtlinge oft auf der Strasse. Viele wünschen sich den Tod. Das sind die unsichtbaren Geschichten – man kann sie nur fühlen.
Afghanen leben und dienen auf der ganzen Welt. Warum dienen diese Menschen nicht ihrem eigenen Land? Die Antwort ist einfach: Gesetzlosigkeit, Bestechung, fehlende Basis-Infrastruktur. Wieder ein Bürgerkrieg. Viele Afghanen fragen sich, ob das ganze Drama ein Ende haben wird, wenn die Edelsteine gefunden sind. Wann wird der Hass abreissen? Warum spielt die unsichtbare Hand mit unseren blutverschmierten Körpern? Sind die Steine mehr wert als ein Menschenleben? Können wir keinen guten Traum träumen, den Traum einer besseren Zukunft? Wenn in der Schweiz vier Sprachgruppen friedlich zusammenleben, können Hazara, Pashtoon, Tajik und Uzbek nicht auch miteinander auskommen? Wir brauchen diese Art von Lektion. Wir wollen keine Waffen, Kugeln und Truppen mehr. Ich möchte mit folgenden Worten schliessen: «Leben und leben lassen».

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